Erste Annäherung an den Winter 2016/2017

Droht ein neuerlicher „Mildwinter“ ?

Würde ich die Einschätzung des nächsten Winters als Kaffeesudlesen oder als Tippspiel betrachten, müsste ich nach dem bisherigen Verlauf des Jahres auf „zu mild“ setzen.
So einfach will ich es mir aber nicht machen, denn beim genauen hinsehen auf so manche Einflussfaktoren, die zum Teil auch Basis meiner bisherigen Wintertrendanalysen waren, lässt sich durchaus das Potential für einen zumindest durchschnittlichen oder vielleicht auch kalten Winter erkennen.
Bei meinen bisherigen Analysen ist ein noch recht indifferentes Weltbild zum kommenden Winter entstanden, das ich nun etwas strukturiert habe.
Was für einen milden Winter spricht und welche Parameter meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit für einen kalten Winter erhöhen, habe ich im nachfolgenden Beitrag zusammengefasst.

Für eine endgültige Trendaussage – diese folgt Anfang November –  ist es aktuell natürlich noch zu früh, denn dazu ist auch die Kenntniss der im Herbst sich bildenden Kältereservoire und Druckkstrukturen auf der NH notwendig.

 

Blicken wir auf den bisherigen Septemberverlauf. Ich würde ihn als Sommernachschlag mit verschobenen Hundstagen bezeichnen und er erweist sich bis jetzt als eindeutiger Mildwinterbote.
Statistisch folgt nämlich auf einen September, dessen Mitteltemperatur um >2 K über der langjährigen Durchschnittstemperatur liegt, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mildwinter.

Diese sogannante „Septemberregel“ findet man übertragen auch unter den Bauernregeln:

„Ist der September lind, wird der Winter ein Kind.‘

Ich bin kein Freund von den meisten Bauernregeln, weil sie oft vom Wettercharakter eines einzigen Tages auf das Wetter einer längere Periode in der Zukunft schließen, was wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist. Aber es gibt auch langjährige Wetterbeobachtungen über einen bestimmten Zeitraum des Jahres, aus denen ein Trend in der Zukunft abgeleitet wird. Dazu zählt die Siebenschläferregel, die meteorologisch anerkannt ist und heuer das Sommerwetter bestimmt hat. Einen ähnlichen Status hat obige Septemberregel.

Noch ist in der zweite Septemberhälfte Zeit, den bisherigen Temperaturüberschuss von ca. 4 K  nach unten zu korrigieren. Der bevorstehende herbstliche Wetterabschnitt wird auch daran arbeiten, aber wenn man den gemittelten Temperaturverlauf in Wien für die erste Septemberhälfte ansieht, dann ist es unwahrscheinlich, dass zum Monatsende die positiveTemperaturabweichung kleiner als 2 K ist:

16-09-2016-klsp-hw

Quelle:  ZAMG

 

 

Auch das CFSv2-Klimamodell der amerikanischen NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) geht nach derzeitigen Berechnungen in großen Teilen Europas, vor allem Mittel- und Osteuropa, von einem um 1 – 2 K zu milden Winter aus. Dabei sollen vor allem die Monate Jänner/Feber deutlich zu mild ausfallen :

16-09-2016-winter-tano

Die Niederschläge werden vor allem südlich der Alpen überdurchschnittlich hoch berechnet, was auf vermehrte SW-Lagen mit Zufuhr milderer Luftmassen hindeutet. Zumindest im Bergland und höheren Lagen südlich des Hauptkammes wäre mit ausreichend Schnee zu rechnen:

16-09-2016-winter-precano

 

 

Die Sonnenfleckenzahl ist nach wie vor rückläufig. Im aktuellen Zyklus 24 nähert sich die Sonnenaktivität einem MaunderMinimum  (korrigiert aufgrund eines Leserfeedbacks, 19.09.2016, Franz) in den Jahren ab 2020:

16-09-2016-sunspot

Quelle: SpaceWeatherLive

Die geringere Sonnenaktivität dürfte durch den globalen Temperaturanstieg weitgehend ausgeglichen werden, sodass dieser Einfluss vermutlich marginal ist.

EDIT  19.09.2016:
In Untersuchungen  der Sonnenoberfläche haben unabhängige amerikanische Forschergruppen eine starke Schwächung des Magnetfeldes der Sonne, das für die Entstehung der Sonnenflecken zuständig ist, nachgewiesen.  Die Forscher halten es für möglich, dass die Sonne in eine längere inaktive Phase übergeht und der Eintritt in ein Maunderminimum , wie im Zeitraum 1645 bis 1715, bevorsteht. Damals kam es zur sogenannten Kleinen Eiszeit.

Dies ist allerdings ein anderes Thema und hat mit dem Winter 2016/2017 nichts zu tun.

 

 

Bei der Betrachtung von Telekonnektion, der Fernwirkung von Wettervorgängen in fernen Gebieten, lassen sich Indikatoren erkennen, die nicht unbedingt für einem milden Winter in Mitteleuropa sprechen oder sogar häufig mit einem kalten europäischen Winter korreliern.

Nach den Super-ElNino-Bedingungen des letzten Jahres, die enorme Energiemengen des tropischen Pazifiks  in die Atmosphäre freigesetzt haben, den europäischen Winter 2015/2016 rekordmild gestalteten und auch auch die globale Erwärmung vorantrieben, hat sich der tropische Pazifik stark abgekühlt und schwache LaNina-Bedingungen angenommen; d.h die Oberflächentemperatur des tropischen Pazifiks weist eine negative Abweichung von mehr als 0,5 K auf:

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Quelle:  NOAA

 

Welchen Einfluss hat LaNina auf das Wetter in Europa?  Die Untersuchungen der nur wenigen LaNina Ereignisse in der Vergangenheit führen zu einer Verstärkung der NAO (Nordatlantische Oszillation). Dies bedeutet häufigeres Westwetter mit feuchtem und kühlerem Sommer und mildem Winter.

Eine ausführliche Untersuchung des „Fingerabdrucks“ der ENSO (ElNino Southern Oscillation) findest du bei der deutschen Wetterzentrale.

Darüberhinaus interagiert LaNina mit der PDO (Pazifische DekadenOszillation). LaNina wird durch eine negative PDO (negative Temperaturanomalie vor der NW-Küste Nordamerikas) verstärkt, durch eine positive Anomalie, wie sie derzeit vorzufinden ist abgeschwächt.
Aktuell befinden wir uns in einer positiven PDO-Phase (siehe oben Karte mit dem Temperaturabweichungen der Ozeane). Da die LaNina-Bedingungen heuer schwach sind, ist im Zusammenwirkung mit der PDO die Wirkung auf die NAO und damit den europäischen Winter vernachlässigbar.

 

 

Obige Karte zeigt auch, dass die negative Temperaturabweichung im Nordatlantik  fast verschwunden ist. Der „kalte Fleck“, der vor und während des letzten Winters wie ein Magnet die Austrogungen angezogen und damit bei uns milde SW-Lagen begünstigt hat, ist viel kleiner und löchrig geworden.

Die Ursachen dafür geben noch viel Rätsel auf. Am nicht vorhandenen Rückgang des abschmelzenden Grönlandeises oder einer Veränderung des Golfstroms liegt es nicht. Auf einen möglichen Zusammenhang mit der PDO habe ich in einer Fallstudie bereits hingewiesen.

Möglicherweise schwächt  das Verschwinden des „kalten Fleckes“ den Jetstream, begünstigt eine negative NAO und fungiert damit als Türöffner für das Vordringen kontinentaler Kaltluft bis ME.
Jedenfalls Juda Cohen, ein amerikanischer Athmosphärenwissenschaftler und Spezialist für die arktische Oszillation, den ich schon mehrmals zitiert habe , vertritt diese Hypothese.

 

 

Ein weiterer Einflussfaktor, der über Telekonnektion wirkt, ist die QBO (Quasi Binäre Oszillation).
Die QBO ist eine regelmäßig wiederkehrende Schwingung des zonalen Windes in der unteren und mittleren tropischen Stratosphäre. Das heißt, dass sich zwischen 12km und 30km Westwinde mit Ostwinden abwechseln. Im Mittel beträgt diese Periode 28 Monate.
Untersuchungen haben ergeben, dass eine Schwächung der arktischen Oszillation und  kältere Winter über Europa durch die Ostwindphase begünstigt werden und umgekehrt.
Die nachfolgende Karte zeigt diesen periodischen Wechsel ab den 70-iger Jahren (grau schraffiert kennzeichnet Westwind, weiß Ostwind):

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Quelle: Freie Universität Berlin

Bei Fortsetzung dieser Systematik müsste 2016/2017 die Ostwindphase dominieren, was eine Schwächung der AO (Arktischen Oszillation) bedeutet und Kaltlufteinbrüche nach ME begünstigt. Betrachtet man obige Karte, so fällt auf, dass sich in der oberen Stratosphäre der Westwind entgegen der Regel fortsetzt. In der untere Stratosphäre ist die Windumkehr auf Ost erfolgt, aber von oben beginnt sich der Westwind wieder durchzusetzen.  Eine einmalige Beobachtung, die noch viele Rätsel aufgibt und deshalb als Einflussfaktor für den kommenden europäischen Winter vorläufig nicht bewertbar ist.

 

 

Von großer Bedeutung für das Weltklima ist die Ausdehnung des Meereises, für die NH und den europäischen Winter das arktische Meereis. Albedobedingt reflektiert die helle Oberfläche einen Großteil (je nach Verschmutzung 80%-90%)  der einfallenden Sonneneinstrahlung. Diese wird somit nicht als Wärmeenergie absorbiert. Von Bedeutung ist dies nur im Sommerhalbjahr, da im Winterhalbjahr rund um den Pol die Polarnacht  herrscht, und somit keine Wärmeenergie von der Sonne bereitgestellt wird. Durch die fortschreitende globale Temperaturzunahme, die in den arktischen Gebieten überproportional auftritt, kommt es im Sommerhalbjahr zu einem verstärkten Abschmelzen des arktischen Meereises und entsprechend wachsenden Rückgang der Meereisausdehnung. Als Folge werden immer größere dunkle Wasserflächen der  Sonne ausgesetzt. Freie Ozeanflächen absorbieren bis zu 90 Prozent der einfallenden Strahlung und speichern sie in Form von Wärme. Dies beschleunigt die Erderwärmung und das Meereis schmilzt noch schneller.
In der Graphik ist die Meereisausdehnung der letzten Jahre in der Arktis dargestellt. Heuer wurde die zweitniedrigste Ausdehnung  nach 2012 gemessen:

16-09-2016-meereis

Quelle: Meereisportal

Was bedeutet dies nun für den europäischen Winter?

Der Folgewinter der geringsten Eisausdehnung 2012 hatte einen langen Atem und brachte bis Anfang April Schnee bis in die Niederungen (weiße Ostern).
Daraus zu schließen, dass der kommende Winter in Europa ähnlich verläuft, ist natürlich wissenschaftlich nicht haltbar. Es gibt aber Untersuchungen und dabei beziehe ich mich wieder auf die Studien und Schlussfolgerungen von Judah Cohen, dass sich der Rückgang des arktischen Meereises im Sommerhalbjahr proportional zu den Herbstschneefällen in Sibirien verhält:
je größer der Rückgang der Eisflächen, desto größer die Schneebedeckung in Sibirien  im Oktober.
Dies wiederum fördert die Ausbildung eines starken Kältereservoirs über dem sibirischen Kontinent (Kältehoch), während vergleichsweise die Arktis warm bleibt.

WACCY (warm arctis cold continents), wie dieses Phänomen auch bezeichnet wird, führt zu einer Ablenkung des Jetstreams, bedeutet eine Schwächung des PW´s (Polarwirbel) und begünstigt häufigere meridionale Wetterlagen im Winter, die die polare Kaltluft weit nach Süden, auch bis ME, transportieren.

Ob es so kommt, wird man Anfang November sehen. Das Potential und damit die Chance für einen „richtigen“ Winter ist jedenfalls gegeben.

 

Als letzten Parameter, der häufig einen längeren winterlichen Abschnitt verursacht, möchte ich noch auf die Möglichkeit eine MW (Major Warmings), erwähnen. Hierbei handelt es sich um eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre in ca. 30km im Hochwinter um 50 K in wenigen Tagen, begleitet von einer Windumkehr von West auf Ost. Als Folgewirkung auf die darunterliegende Troposphäre, in der sich unser Wetter abspielt, kommt es zu einem Zusammenbruch des PW´s mit massiven Kaltluftausbrüchen in die mittleren Breiten.
Rein statistisch tritt dieses Phänomen alle 2 bis 3 Jahre auf. Beobachten konnten wir es im Winter 2012 und 2013. In beiden Fällen folgte etwas verzögert ein mehr oder weniger langer winterlicher Abschnitt. In den beiden Folgewintern ist es nicht aufgetreten;  auch nicht im vergangenen Winter 2016.
Allerdings kam es im Frühjahr 2016 zu einem starken Warming in der Stratosphäre, das die Kriterien eines MW erfüllte. Ca. 3 Wochen später, Ende April, verursachte ein massiver „arctic outbreak“ verheerende Frostschäden an landwirtschaftlichen Kulturen in vielen Gebieten Österreichs.
Ob sich im kommenden Winter ein derartiges Ereignis ereignet, hängt auch mit dem weiter oben beschriebenen Aufbau eines frühen und kräftigen Kältereservoirs über Sibirien zusammen. In diesem Fall lenkt das Sibirische Kältehoch den  polaren Jet in der Troposphäre ab. Dabei wird auch Wärme in die Stratosphäre transportiert, die im  Folgewinter über ein mögliches MW mit den beschriebenen Auswirkungen auf den PW wieder zurückgegführt wird.

 

Zusammenfassend mein derzeitiges Resumee:

– Septemberverlauf und NOAA-Klimamodell sprechen für einen zu milden Winter. Dies schließt jedoch Schnee in höheren Lagen nicht aus.
+/- Die geringe Sonnenaktivität wird durch die globale Erwärmung kompensiert.
Einflüsse aus Telekonnektion geben kein klares Bild.
+ Die geringe arktische Meerausdehnung am Ende des Sommerhalbjahres sehe ich als Potential für Kaltlufteinbrüche, u.U. im Zusammenhang mit einem MW, und damit für einen kalten europäischen Winter.

 

Eine finale Winterprognose folgt Anfang November

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