Erwärmung der Arktis in Zeiten des Klimawandels und polare Verstärkung

Die Folgen der globalen Erwärmung, die in der Arktis durch positive Rückkopplungsprozesse (d.h. durch die Erwärmung ausgelöste Veränderungen wirken sich wiederum auf das Maß der Erwärmung aus) verstärkt wird, sind weitreichend:

-deutlich stärker ansteigende Lufttemperaturen als im weltweiten Durchschnitt,
-dramatischer Rückgang des polaren Meereises,
-zurückweichende Gletscher (Grönland),
-auftauender Permafrostboden,
-Abschwächung der atlantischen thermohalinen Zirkulation,
-Anstieg des weltweiten Meeresspiegels,
-ökologische Folgen für Mensch, Tier und Pflanzenwelt,
-politisches Konfliktpotential durch die Umweltveränderungen und neu erschließbarer Ressourcen
-Wetter in den mittleren Breiten der nördlichen Hemisphäre

Der nachfolgende Beitrag behandelt Ursachen dieses Phänomens und die Auswirkungen auf „unser“ Wetter und ist Inhalt einer Präsentation eines TSN-Workshops der ZAMG.

 

Übersichtsbild über Einflussgrößen und Auswirkungen:

übersicht

 

Abkürzungen:

PDO: Pacific Decadal Oscillation

          (https://www.wettereck-triestingtal.at/2016/06/11/einfluss-der-pdo-auf-die-rossby-wellen/)

AMO: Atlantic Multidecadal Oscillation

            (https://www.wettereck-triestingtal.at/2016/03/03/negative-temperaturabweichung-im-nordatlantik/)

ENSO: El Nino Southern Oscillation

            (https://www.wettereck-triestingtal.at/2015/11/21/enso-el-ninosouthern-oscillation/)

WACCy: Warm Arctic Cold Continents

                (https://www.wettereck-triestingtal.at/2016/11/26/waccy-ursachen-und-wirkung/)

 

 

Natürliche Klimavariabilität vs. anthropogener Einfluss

temperaturkurve

Quelle: klimanotizen.de, Deutsches Geoforschungszentrum

 

Der natürliche Klimawandel wird mittlerweile vom anthropogenen (menschengemachten) Einfluss deutlich überlagert.

Nicht die Tatsache, dass sich die globale Mitteltemperatur erhöht ist dramatisch, sondern die Erwärmungsgeschwindigkeit. Sie ist etwa 100 mal größer als bei historischen natürlichen Klimaveränderungen.

Die andauernde anthropogene Anreicherung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen (vor allem Kohlenstoffdioxid/CO2, Methan), die vor allem

durch die Nutzung fossiler Energie (Brennstoffe),
durch großflächige Entwaldung (Regenwälder)
sowie Land- und Viehwirtschaft freigesetzt werden,

erhöht das Rückhaltevermögen für infrarote Wärmestrahlung in der Troposphäre.

 

TempSpiralEdHawkins globale erwärmung wiki

Quelle: Climate Lab Book

 

Globaler Temperaturindex Oberflächentemperaturen Land und See 1880–2016 relativ zum Mittelwert von 1951–1980 (NASA):

Global temperature anomaly

 

Temperaturänderung in den einzelnen Klimazonen seit 1880(Columbia University/ James Hansen, http://csas.ei.columbia.edu/2017/01/18/global-temperature-in-2016/):

Zonale midrange temp

 

 

Positive Rückkopplungen/polare Verstärkungen/arktische Amplifikation

Positiver Rückkkopplungen sind Prozesse, die sich selbst verstärken. Das Ergebnis einer, durch eine äußere Einwirkung verursachte Veränderung eines Systems verstärkt die Veränderung zusätzlich.

 

Eis-Albedo-Rückkopplung

Schnee- und Eisflächen reflektieren den größten Teil der eingestrahlten Sonnenenergie ins Weltall. Ihr Abschmelzen bringt darunter liegende Land- und Wasseroberflächen  zum Vorschein, die mit ihrer dünkleren  Farbe einen größeren Teil der Sonnenenergie absorbieren. Die Oberfläche und die darüber liegende Luft werden dadurch weiter erwärmt.

Albedo-Rückstrahlung

 

 

Credit: eskp.de – Wissensplattform „Erde und Umwelt“, eskp.de, CC-BY 4.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48547503

 

 

Wasserdampfrückkopplung

Je wärmer die Luft, desto mehr Verdunstung und desto mehr Wasserdampf kann in die Atmosphäre gelangen. Da Wasserdampf ein starkes Treibhausgas ist, verstärkt sich die Erwärmung, was zu noch mehr Wasserdampf in der Atmosphäre führt (positive Rückkopplung). Lt. ZAMG  führt die Wasserdampfrückkopplung in der Atmosphäre zu einer  Verdopplung der durch die anthropogenen Treibhausgase verursachten Erwärmung.

Wasserdampf enthält latente Wärme, die bei der Kondensation/Wolkenbildung freigesetzt wird.

Hinzu kommt, dass durch mehr Wasserdampf auch mehr Wolken ntstehen, die in polaren Breiten erwärmend wirken.

Wolken haben für den Strahlungungshaushalt eine doppelte Funktion. Einerseits reflektieren sie die Solarstrahlung und haben dadurch eine abkühlende Wirkung. Andererseits reflektieren sie die langwellige Wärmestrahlung vom Boden und haben so eine wärmende Treibhauswirkung. Über dem Arktischen Ozean haben Wolken außer während einer kurzen Periode im Sommer eine erwärmende Wirkung für die bodennahe Luftschicht. In der Polarnacht ist dieser Effekt besonders stark, da der Albedo-Effekt wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung ausfällt und allein die Treibhauswirkung von Bedeutung ist. Im Gegensatz zu niederen Breiten, wo Wolken  einen Abkühlungseffekt besitzen, wirken sie in der Arktis aber auch im Jahresmittel erwärmend.

 

 

Fehlende vertikale Wärmetransporte (Temperaturrückkopplung)

In den Tropen und mittleren Breiten kommt es zu ständigen vertikalen Luftbewegungen durch thermische und dynamische Prozesse. Vor allem in den Tropen durchmischen hochreichende konvektive Wolken die Troposphäre feuchtadiabatisch, wodurch sich die obere Troposphäre stärker erwärmt als die untere. 

In der Arktis dagegen mischt sich die kalte, dichte Bodenluft kaum  mit der leichten Höhenluft, so dass die Erwärmung weitgehend auf die Oberfläche und die untere Troposphäre beschränkt bleibt.

Da die Temperaturzunahme nicht wie in den Tropen vertikal verteilt wird, erwärmt sich die bodennahe Luft in der Arktis schneller.

Außerdem ist die Troposphäre in der Arktis aufgrund der niedrigen Temperaturen deutlich niedriger als in den mittleren Breiten oder in den Tropen und wird deshalb schon aufgrund ihres geringeren Volumens schneller erwärmt.

Siehe
https://www.mpimet.mpg.de/kommunikation/aktuelles/im-fokus/verstaerkte-erwaermung-der-arktis

 

Tauender Permafrost

Der durch den Temperaturanstieg verursachte Rückgang des arktischen Permafrosts führt zur Freisetzung großer Mengen des Treibhausgases Methan, was die globale Erwärmung wiederum verstärkt.

Die mit einer Erwärmung ebenfalls einhergehende anwachsende und dichter werdende Pflanzendecke könnte den Effekt lindern.

 

 

Tipping Point (Kipppunkt)

Systeme mit positiver Rückkopplung (Prozesse, die sich selbst verstärken)  können instabil werden und verhalten sich bisweilen nichtlinear. Es wird vermutet, dass die Arktis u. a. aufgrund der Eis-Albedo-Rückkopplung ein Kippelement im globalen Klimasystem darstellt.

Bei Überschreiten des Kipppunktes beschleunigt sich die Erwärmung dort stark nichtlinear und auch nach Reduktion eine  hohen Treibhausgaskonzentration bleiben die hohen Temperaturen erhalten.

Aktuelle Forschungsarbeiten widersprechen dieser Annahme zumindest auf kurzen Zeitskalen:

Es zeigt sich, dass die Abstrahlung in den Wintermonaten in der Größenordnung des Energiezustroms im Sommer liegt und eine Erholung der Eisflächen bei nur wenigen Jahren geringer Eisbedeckung möglich ist (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2010GL045698/abstract).

 

Kippelemente Potsdam

Quelle: 
https://www.pik-potsdam.de/services/infothek/kippelemente

 

 

Meereisrückgang in der Arktis

Arktische Todesspirale (PIOMAS):

PIOMAS Arctic-death-spiral

PIOMAS sea ice volume

 

Eisausdehnung 1980-2017 (NSDIC):

arctic-sea-ice-chart

arctic sea ice extent nsdic 2017

Arctic_sea_ice_loss_animationhttpsclimate.nasa.gov

 

Weltweiter Anstieg des Meeresspiegels

Das Abschmelzen von Meereis hat keine Auswirkungen auf den Meeresspiegel.

Das Vollständige Abschmelzen des grönländischen Eisschildes würde den Meeresspiegel weltweit um 6m-10m ansteigen lassen.

 

Das zunehmende Auftauen der Permafrostgebiete führt zu einer Methanfreisetzung und damit zu einer zusätzlichen Erhöhung der Treibhausgase mit entsprechender Auswirkungen auf die globale Erwärmung (Positive Rückkopplung).

 

 

Die Reduktion des Temperaturgradienten zwischen Arktis und mittleren Breiten führt zu einer Schwächung des Jetstreams und Meridionalisierung der Zirkulation (horizontaler Wärmetransport) mit gravierenden Auswirkungen auf  das Wetter in den mittleren Breiten: 

20-11-2016-jetstream_meander-bildungsserver

Quelle: bildungsserver.de

 

Warm Arctic Cold Continents im Winter

Microsoft Word - Overland_Polar Science_April2016WithTrackChange

Quelle: Overland/Cohen (sciencedirect.com)

 

WACCy-Bedingungen 2016: rekordverdächtige Schneedecke, größter arktischer Meereisrückgang

Link: https://www.wettereck-triestingtal.at/2016/11/26/waccy-ursachen-und-wirkung/

20-11-2016-anomoct-global

 

20-11-2016-snow_cover_model_full_size

Quelle: Judah Cohen

 

 

Folgen für das Wetter in den mittleren Breiten:

Microsoft Word - Overland_Polar Science_April2016WithTrackChange

Quelle: Overland

 

Die Erwärmung der Arktis begünstigt persistente Wetterlagen in den mittleren Breiten, mit erhöhtem Risiko für Überschwemmungen, Dürren, lange Hitze- und Kältewellen.

 

 

 

Zukunftsszenarien

(Max Planck Institut)

Meereisfreie Arktis zu Sommerende 2050-2070            reversibel

Ganzjährig meereisfreier Nordpol in ca. 100 Jahren        irreversibel; Auswirkung ?

https://www.mpimet.mpg.de/kommunikation/aktuelles/im-fokus/arktisches-meereis

 

 

                               Quellnachweise

Cohen   http://www.judahcohen.org/research-papers/

Overland   http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S187396521630024X

Kretschmer/Cohen   http://journals.ametsoc.org/doi/pdf/10.1175/BAMS-D-16-0259.1

Ed Hawkins   https://twitter.com/ed_hawkins?lang=de

Max Planck Institut 
https://www.mpimet.mpg.de/kommunikation/aktuelles/im-fokus/arktisches-meereis/

Potsdam-Institut für Klimaforschung
https://www.pik-potsdam.de/forschung

Meereisportal.de

PIOMAS (Pan-Arctic Ice Ocean Modelling and Assimilation System)
http://psc.apl.washington.edu/research/projects/arctic-sea-ice-volume-anomaly/

NSIDC (National Snow and Ice Data Center)
https://nsidc.org/cryosphere/arctic-meteorology/weather_climate_patterns.html

NOAA   http://www.noaa.gov/

NASA  
https://climate.nasa.gov/ , https://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs/

 

 

endeblatt

2 Gedanken zu „Erwärmung der Arktis in Zeiten des Klimawandels und polare Verstärkung“

  1. Danke für den wirklich guten Artikel. Zumindest ein Satz ist allerdings meiner Meinung nach unrichtig:

    „Nicht die Tatsache, dass sich die globale Mitteltemperatur erhöht ist dramatisch, sondern die Erwärmungsgeschwindigkeit. Sie ist etwa 100 mal größer als bei historischen natürlichen Klimaveränderungen.“

    auch das Holozän wurde durch eine abrupte Erwärmung eingeleitet, verschiedene Quellen sprechen von bis zu 10K in 50 Jahren. https://de.wikipedia.org/wiki/Holoz%C3%A4n

    Der Unterschied zu jetzigen Situation ist vielmehr die extrem schnelle Änderung des CO2-Gehalts der Atmosphäre. Im ganzen Holozän (10.000 Jahre) hat der Gehalt nur um ca 50ppm geschwankt – aktuell halten wir bei +150ppm in kürzester Zeit und das Ende ist noch gar nicht absehbar https://de.wikipedia.org/wiki/Holoz%C3%A4n#/media/File:Ghgs-epcia-holocene-CO2-de.svg

    Typische Änderungen früher lagen bei 0.02ppm/Jahr, heute ist die Änderung 100x so schnell. Und, es gibt Hinweise dass bereits Schwankungen von 15ppm Temperatursprünge auslösen können. Insofern stellt sich die Frage nach bereits ausgelösten Tipping-Points in der gegewärtigen Situation natürlich auch.. Zum Einlesen dazu https://goo.gl/bEVTNV

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