Der nördliche Polarwirbel – Major Warming – Arctic Outbreak (Fallbeispiele)

03.03.2018.PW-TSN Inhaltsfolie

 

1. Planetare Zirkulation in der nördlichen Hemisphäre

Überblick  Zirkulationszellen und Windsysteme: 

Globale_zirkulation.bildungsserver.de

Quelle: Bildungsserver.de

 

Zitat ZAMG:

Den Antrieb all dieser Systeme bildet die Sonne, die die äquatornahen Gebiete der Erde wesentlich stärker erwärmt als die Polarregionen. Dadurch bilden sich ein Hitzetief entlang des Äquators (durch Aufsteigen warmer Luft) und Kältehochs über den Polen (durch Absinken kalter Luft). Eigentlich würde sich durch diese Luftdruckgegensätze in Bodennähe eine Luftströmung Richtung Äquator einstellen, während die entsprechende Gegenströmung in der Höhe Richtung Pole verliefe, was ein geschlossenes Zirkulationsrad auf jeder Erdhalbkugel zur Folge hätte.

Da sich die Erde aber dreht und die Corioliskraft wirkt, bilden sich nicht eine sondern drei Zirkulationszellen pro Hemisphäre aus:

die Hadley-Zelle über dem Äquator (siehe auch ENSO)
die Ferrel-Zelle über den mittleren Breiten
die Polar-Zelle über den Polen

 

 

2. Der Polarwirbel : Entstehung, Funktionsweise und Einfluss auf das Wetter

Fehlende Sonneneinstrahlung führt über dem Pol zu einer negativen Strahlungsbilanz im Polarwinter und starker Abkühlung.  Über dem Polargebiet entsteht ein ausgeprägtes bis in die Stratosphäre reichendes Tief mit extrem kalter Luftmasse, der Polarwirbel (PW). In Bodennähe befindet sich ein Kältehoch, das vom Tief überlagert wird.

Ausprägung PW in der Stratosphäre (10hPa = ca. 32km):

01.2017.gfsnh-10-6

Am Rand des PW, im Gradientenfeld zur wärmeren Luft der mittleren Breiten, herrschen starke Westwinde, die die Kaltluftmassen einschließen.

 

Troposphäre (500hPa):

01.2018.gfsnh-0-6

Die Begrenzung des PW in der Troposphäre verläuft weniger glatt.
Die Ursache ist auf die unterschiedliche Verteilung der Kontinente, Ozeane und Gebirgszüge auf der Nordhemisphäre zurückzuführen.
Die Grundströmung weist durch Reibungseffekte und Ablenkungen an Gebirgen ein wellenförmige Zirkulationsmuster auf.

 

Jetstream:

01.2018.gfsnh-5-6

 

Ein Indikator für den Zustand des PW ist die Arktische Oszillation (AO). Sie entsteht durch den großen Temperaturunterschied zwischen der Polarregion und den mittleren Breiten. Gemessen wird sie durch den AO-Index. In der positiven Phase ist ein zonales Zirkulationsmuster vorherrschend, in dem starke Westwinde dominiern. Die negativen Phase ist durch eine meridionale Zirkulation gekennzeichnet, wobei polare Kaltluft in Trögen weit nach Süden vordringt.

 

Mit dem Wechsel zum Sommermodus erfolgt in der mittleren Stratosphäre (10hPa) zwischen 0° und 60° eine  Temperaturumkehr  
und Zonalwindumkehr auf östliche Richtung :

07.2017.10hpa-gfsnh-10-6

 

Troposphäre (500hPa):

07.2017.500hpa-gfsnh-0-6

 

 

3. Interaktion/Kopplung Troposphäre-Startosphäre 

Aufbau der Atmosphäre:

atmosphäre - komp

 

 Quelle: bildungsserver.de

 

In der Troposphäre werden durch  Blockinglagen  planetare Wellen angeregt, die in die Stratosphäre propagieren. Dort breiten sie sich nach oben aus, bis sie im Bereich einer kritischen Schicht dissipieren (Energieumwandlung).
Die Wechselwirkung zwischen vertikal propagierenden Wellen und dem zonalen Grundstrom in der Stratosphäre kann  die Stärke des Polarwirbels vermindern. 
Je länger eine Blockinglage eine planetare Welle in die Stratosphäre ablenkt, desto weiter kann sie dort propagieren und desto stärker ist die Auswirkung. 

Z.B. zeigt eine Studie von Judah Cohen, dass  eine überdurchschnittliche Schneebedeckung in Eurasien über Sibirien im Oktober/November zu einer Druckanomalie durch ein Kältehoch   führt, die zu einer langanhaltenden Wellenablenkung mit die Stratosphäre führt (Siehe auch WACCy). Die Auswirkungen auf den PW und auf die Troposphäre erfolgen erst bis zu 2 Monate später und können massive Störungen der Zirkulation und Wetterkapriolen zur Folge haben.

 

 

4. Polarwirbelstörungen  (Theorie und aktuelles Fallbeispiel)

Sie werden häufig im späteren Winterverlauf (Jänner/Februar) durch ein „Sudden Stratospheric Warming“ (SSW) in der Stratosphere verursacht. 

Studien belegen, dass einem SSW fast immer eine troposphärische Blockierung vorauseilt, welche zu einem verstärkten Wellenfluss in die Stratosphäre führt.

Man unterscheidet Minor/Major Sudden Stratospheric Warmings.

Mehrmals pro Winter treten schwächere Stratosphärenerwärmungen auf (Minor Warming). Diese bringen einen Temperaturanstieg von mindestens 25 Grad innerhalb einer Woche und können in allen Schichten der Stratosphäre auftreten. Sie haben wenig bis keinen Einfluss auf die Stabilität des Polarwirbels und das Wetter in der Troposphäre. 

Das Major Warming (MW; Berliner Phänomen) wurde von von R. Scherhag/FU Berlin im Jahr 1952 entdeckt. Zur Erreichung müssen definierte Kriterien erfüllt sein. So  muss über dem Pol in 10hPa innerhalb von wenigen Tagen (4-5) ein Temperaturanstieg von mehr als 50 K erfolgen, gleichzeitig muss danach für mehrere Tage die Temperatur über dem Pol über jener auf 60° liegen (Temperaturumkehr) und auf dieser Breite der Zonalwind für mehrere Tage (4-10) von West auf Ost drehen. Nach spätestens 10 Tagen muss sich die Zonalwindumkehr wieder aufheben und eine Regenerierung des PW erfolgen.
Der steuernde PW wird dabei verschoben (PW-displacement) oder geteilt (PW-Split).
Zeitverzögert erfolgt durch ein MW ein Impuls bis in die Troposphäre mit einer Störung des PW. Neben einer Meridionalisierung der Zirkulation kann auch ein PW-Split oder der völlige Zusammenbruch des PW erfolgen.

Der Übergang von einem starken Minor Warming zu einem MW ist fließend.

Bleibt es bei der Zonalwindumkehr in der Stratosphäre erhalten, so handelt es sich um das Final Warming mit der Umstellung auf Sommermodus der Zirkulation. Im Sommerhalbjahr liegt über dem Pol in der Stratosphäre ein Hoch.
In der Regel tritt das Final Warming im April auf und bewirkt die Auflösung des PW in der Startosphäre und eine Meridionalisierung der Zirkulation in der Troposphäre mit markanten Kaltluftausbrüchen in die mittleren Breiten.

 

 

Fallbeispiel Major Warming Februar 02/2018:

Temperatur in 10hPa:

16.02.2018.10hpa-gfsnh-10-6

 

Zonalwindentwicklung in 10hPa:

28.02.2018.zonalwind 10hPa

Quelle: University at Albany

 

Geopotential 500hPa:

16.02.2018.500hpa-gfsnh-0-6

 

10 Tage später (fast PW-Split):

25.02.2018.gfsnh-0-6

 

Nach 2 Wochen:

Geopotentialverteilung 500hPa

28.02.2018.gfsnh-0-72

 

Temperatur (850hPa)

28.02.2018.gfsnh-1-72

 

 

Temperaturanomalie (2m)

28.02.2018.tano.world

Quelle: KH

 

 

5. Fallbeispiele „Arctic Outbreak“ im Zusammenhang mit der Umstellung auf Sommermodus 

 

5.1. April 2016

 

Ein „downstream-developement“ an der Ostflanke eines umfangreichen atlantischen Hochdruckgebietes führt die  kältest möglichen polaren Luftmassen auf direktem Weg bis zu den Alpen:

17.04.2016.gfsnh-0-204

 

Die Trajektorien zeigen die Herkunft der Luftmassen in den verschiedenen Höhen:

25.04.2016.trajektorie

Quelle: wetter3.de

 

Arctic Outbreak und inverse Omegalage mit Höhentiefkern über ME:

21.04.2016.gfsnh-0-156

 

Frostschadengebiete_Temperaturminima-April2016_ZAMG

 

An meiner Messstation in Thenneberg gab es an 4 aufeinanderfolgenden Tagen  Morgenfrost zwischen -2° C und -4° C und sichtbare Frostschäden an Obstbäumen, Zierpflanzen und an Blättern von bereits belaubten Bäumen.

Kirschblüte:

29.04.2016.2-2

26.04.2016.frost.1-2

 

Pfingstrosen:

26.04.2016.frost.2-2

 

Buchenblätter:

29.04.2016.2.2-2

 

Nachfolgende Bilder dokumentieren die Schäden in dem am stärksten betroffenen Gebieten der südlichen Steiermark.

Glyzinie vor und nach dem Frost:

harald.1

harald.2

 

Kartoffelfeld vor und nach dem Frost:

harald.3

harald.4

(c) Harald Kessler (4 Bilder)

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Frostschäden an Weinkulturen:

Frostschaeden_Wein2-April2016_Kleine_Zeitung

Frostschaeden_Wein-April2016_Kleine_Zeitung

 

Eingestürzte Hagelschutzanlagen von Obstplantagen durch Schneedruck:

Schneedruckschaeden2-April2016_Kleine_Zeitung

Schneedruckschaeden-April2016_Kleine_Zeitung

(c) Kleine Zeitung (4 Bilder)

 

 

5.2. April 2017

 

Arktischer Kaltluftvorstoß ( Temperatur 850hPa):

19.02.2017.gfsnh-1-6

 

Geopotentialkarte 500hPa:

19.02.2017.gfsnh-0-6

 

Zitat wettereck-triestingtal:

Es wird immer konkreter und unausweichlicher:

der seit Tagen in meinen Analysen behandelte arktische Kaltluftvorstoß trifft die Ostalpen Mitte kommender Woche mit voller Wucht! Dazu gesellt sich gleichzeitig eine  Vb-ähnliche Lage, der Schneebringer für den Alpenostrand im Winter schlechthin.

 

 

Fotosequenz 19.04.2017 aus Thenneberg/Oberes Triestingtal:

19.04.2017.23-2

20.04.2017.20-2

19.04.2017.32-2

19.04.2017.37-2

19.04.2017.34-2

19.04.2017.42-2

19.04.2017.42.1-2

19.04.2017.14-2

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Fotosequenz 20.04.2017:

20.04.2017.3-2

20.04.2017.header1-2

20.04.2017.9-2

20.04.2017.13-2

20.04.2017.12-2

19.04.2017.40-2

 

Baumbruchschäden (ohne Bilder) gab es nur unterhalb von 400m (Pottenstein, Berndorf), wo die Temperatur während des Schneefallereignisses um den Gefrierpunkt lag und der Schnee entsprechend schwer war.

 

Frostschäden an Buchen (Peilstein/Wienerwald):

11.05.2017.10-2

 

Quellverweise:

Meteociel.fr
ZAMG
FU Berlin
NOAA
Karsten Haustein
University at Albany
Kleine Zeitung
Harald Kessler
wettereck-triestingtal.at

 

03.03.2018.PW-TSN Endefolie

3 Gedanken zu „Der nördliche Polarwirbel – Major Warming – Arctic Outbreak (Fallbeispiele)“

  1. Also ich lese deine Ausführungen sehr gerne… Danke für die Arbeit die du da immer reinsteckst – und sehr erfreulich ist auch die Tatsache, dass diese tollen Analysen hier noch dazu kostenlos zugänglich sind…

  2. Servus!

    Auch von mir Danke für deinen Vortrag! War sehr interessant, habe auch den Großteil davon verstanden 😉 Schade, dass du austrittst, ich hoffe aber dass wir uns noch einmal bei dem einen oder anderen TSN Workshop sehen. Und vielleicht kommst du ja auch wieder einmal zum Verein zurück 😉

    Werde jetzt auch in Zukunft etwas mitlesen – soweit ich es verstehe. 😀
    LG, Paul

  3. Hallo Franz,

    ich will mich für deinen sehr interressanten Vortrag beim TSN herzlich bedanken. Hat mich gefreut dich kennen zu lernen und wir werden uns sicher noch öfter über den Weg laufen*gg*.

    Liebe Grüsse aus Kernhof

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