Winterprognose 2020/2021

Der November verlief hochdruckdominiert mit ausgeprägten Inversionslagen, NS-arm, ungewöhnlich mild in höheren Lagen und auf den Bergen, nur durchschnittlich temperiert in den oft nebeligen Niederungen. Der Atlantik  war weitgehend abgeriegelt.

Vor exakt einer Woche begann der meteorologische Winter 2020/2021. Nach wie vor verhindert ein ausgeprägtes blockierendes Kontinentalhoch eine Westwetterlage. Tiefdruckgebiete werden  nach N oder S abgelenkt. In der ersten Dezemberwoche hat diese Druckstruktur zu einer starken Austrogung über WE (Westeuropa) mit Kaltluftvorstoß ins westl. Mittelmeer und Genuatiefentwicklung geführt.  Die Folgen sah man in den letzten Tagen:  extreme Stauniederschläge von Südtirol über Osttirol bis Oberkärnten und Föhn nördlich der Alpen.

Welche großskaligen Wetterentwicklungen in der Troposphäre ich erwarte und deren Auswirkungen auf den weiteren Winterverlauf in den Ostalpen, werde ich später in diesem Beitrag ausführlicher  behandeln. 

Zuvor möchte ich im ersten Teil, wie in den letzten Jahren, vorstellen, zu welchen Wintereinschätzungen die Langfristmodelle anerkannter Meteodienstleister und  kompetenter Wissenschaftler, deren Veröffentlichungen ich regelmäßig mit Interesse  lese, kommen. 
Im zweiten Kapitel werde ich versuchen, anhand von betrachteten globalen Einflußgrößen/Telekonnektionen und dem augenblicklichen Zustand der Atmosphäre zu Winterbeginn Rückschlüsse auf den bevorstehenden Winter zu ziehen. 
Am Ende folgt das Resümee mit meiner persönlichen Wintereinschätzung.

 

1. Prognoseergebnisse meteorologische Langfristmodelle

Detaillierte Informationen können in den verlinkten Quellen nachgelesen werden.

ZAMG

Quelle: ZAMG

 

DWD  (Deutscher Wetterdienst)

                     

Quelle: DWD

 

EZ  (Europäisches ECMWF)

                     

 

Quelle: Copernicus

UK-Metoffice sehr ähnlich zu EZ.

 

NOAA/NCEP

                     

 

Quelle: NOAA

 

NASA

             

Quelle: NASA

 

AER/Judah Cohen

 

Quelle: AER

Die meisten Langfristmodelle gehen von einer  gemittelten positiven Temperaturabweichung von 1K – 2K und durchschnittlichen NS-Mengen aus.

Aus der Reihe fallen AER, mit einem leicht zu kaltem Wintermittel. ZAMG erwartet bei den Temperaturen einen Duchschnittswinter. 
Wenn ich einen Vorgriff auf mein Resümee am Beitragsende mache, dann entspricht meine Einschätzung am ehesten der NASA-Prognose.

Lesenswert und in der Vergangenheit mit hoher Treffsicherheit versehen sind die Saisonprognosen der Meteorologen Kurt Hansen und Fabienne Muriset.

 

 

 

2. Persönliche Analyse  klimatologischer Parameter (Telekonnektionen/andere Einflußgrößen) und Ausgangslage der Atmosphäre

Die Sonne ist der Motor des Wetters. Die Sonnenaktivität bzw. die Anzahl der Sonnenflecken ändert sich zyklisch. Ein Zyklus wird in 11 Jahren durchlaufen. Je größer die Anzahl der Sonnenflecken, desto größer die Gesamtstrahlung und der Energieeintrag in die Erdatmosphäre. Aktuell hat ein neuer Zyklus nach Durchlaufen eines Sonnenfleckenminimums begonnen. Erhöhte sich früher im Bereich des  Sonnenfleckenminimums die Wahrscheinlichkeit für einen kalten Winterverlauf, so geht die Wissenschaft heute davon aus, dass die globale Erwärmung diesen Effekt überlagert und daraus keine Rückschlüsse auf die Temperatur im Winter erfolgen können.

 

Eine sehr kräftige La Nina, eine Kaltwasseranomalie im tropischen Pazifik,  wird über den gesamten Winter prognostiziert:

Quelle: NOAA

Die Auswirkungen betreffen vor allem den pazifischen Raum (link). Bei La Nina erfolgt,  im Gegensatz zu El Nino, kein Wärmeeintrag vom Ozean in die Atmosphäre.  Die Fernwirkung auf den europäischen Raum ist eher schwach, aber eine erhöhte Hurrikanaktivität im Atlantik ist statistisch erwiesen.  Einer erhöhte Hurrikanaktivität, wie wir es heuer erlebten,  folgt oft ein kälterer Winter in Europa. Die in Medien von dieser Kausalkette  oft verbreitete assoziative Schlußfolgerung, dass La Nina  einen kalten Winter 2020/2021 verursachen wird, ist jedoch nicht haltbar. Da mischen noch andere Einflussgrößen mit. 
Eine vergleichbar hohe Hurrikansaison herrschte z. B. 2005. Der Folgewinter war schneereich und kalt. Damals war allerdings die QBO (Quasi Binäre Oszillation), eine zyklische Veränderung der zonalen Winde von W-O auf O-W in der tropischen Stratosphäre zwischen 16km und 40km in der Ostphase. Dies korreliert mit einer Schwächung der AO (arktische Oszillation) und auch der NAO (nordatlatische Oszillation). Der Wechsel von W auf O und umgekehrt  tritt im Schnitt periodisch etwa alle 2,2 Jahre auf. Heuer befindet sich die QBO in der Westphase, wodurch die zonale Zirkulation im PW (Polarwirbel) und damit AO/NAO  gestärkt werden. Allein betrachtet, ein Indiz für einen milden atlantikgeprägten Winter:

Quelle: NASA

 

Die aktuell Abweichungen bei den Meerestemperaturen zeigt im Pazifik die blaue Kaltwasserzunge, die La Nina geschuldet ist. Auffallend ist der „Kalte Fleck“ im NA (Nordatlantik). Dieser entsteht durch Schmelzwassereintrag von Grönlandeis. Bei starker Ausprägung entstehen über dieser Kaltwasseranomalie oft Tröge, die die NA-Oszillaton in Schwingung versetzten. Solange sich an dieser Temperaturverteilung im NA nichts ändert, ist die Wahrscheinlichkeit für eine SW-liche Grundströmung mit Neigung zu Hochdrucklagen  hoch:

Link: NOAA

 

Die Meereis-/Schneebedeckung NH beeinflussen maßgeblich die Ausbildung von Druckgebilden im Herbst und Frühwinter und damit den Winterverlauf. Die arktische Meereisausdehnung bewegt sich seit Oktober auf einem historischen Tiefststand. Insbesondere das europäische Polarmeer und die Karasee sind noch größtenteils eisfrei:  

 

Link: Meereisportal

Der Wärmeeintrag von den offenen Meeresflächen in die Atmosphäre bewirkt eine relativ hohe Temperatur im europäischen Sektor der NH (siehe weiter unten).

Die eurasische Schneebedeckung war bis Anfang November unterdurchschnittlich, hat mittlerweile mit großen Zuwächsen fast einen Höchststand erreicht und den Rückstand bei der Ausbildung des kontinentale Kältereservoirs über Sibirien wettgemacht:

Link: NOAA

 

 

 

Link: NOAA

 

Der stratosphärische PW ist aktuell gut entwickelt. In der Troposphäre ist der PW nach N verschoben, weswegen im europäischen Sektor der NH keine sehr kalten Temperaturen vorzufinden sind. Eine seit Tagen quasistationärer Rosbywelle mit Trog über WE und Blocking über dem Ural bestimmt das derzeitige Zirkulationsmuster. Dabei erfolgt laufend Energietransfer in die Stratosphäre mit einer langsamen Schwächung des stratosphärischen PW. Dies hat Potential für kräftige Warmings bis zur Zonalwindumkehr im späteren Winterverlauf und wird in meiner Wintereinschätzung seinen Niederschlag finden. In welchem Ausmaß der PW gestört wird und wann sich dieser Vorgang  auf die Troposphäre und damit auf das Wettergeschehen der NH  auswirkt, steht noch in den Sternen.
Die Ostalpen liegen bei der aktuellen Druckkonstellation an der Trogvorderseite in einer NS-reichen Südströmung mit exorbitanten Regen- und Schneefällen südlich des Alpenhauptkammes:

                  

 

Die berechneten Geopotential-/Druckkarten und 850hPa-Temperaturen vom amerikanischen GFS-Model und dem IFS des europäischen EZ  für Mitte des Monats zeigen große Ähnlichkeit. ME befindet sich weiterhin an der Vorderseite eines Troges, der von Azoren- und Kontinentalhoch flankiert wird in einer wetterberuhigten leicht antizyklonal geprägten Zone. Über der Arktis  erfolgt ein Transfer der sibirischen Kaltluftmassen über dem Pol nach Kanada mit Ausfließen auf den NA. In weiterer Folge dürfte die atlantische Frontalzone Fahrt aufnehmen und auch mit Störungen den Wetterablauf im Alpenraum beeinflussen:

                    

 

                    

 

Die derzeit meridionale Zirkulation weist bei einigen Ensemblemebern ab Monatsmitte bereits eine leichte Zonalisierungstendenz auf:

Quelle: NOAA

 

3. Mein Resümee mit persönlicher Wintertrendeinschätzung

Die Zusammenschau obiger Langfristprognosen mit meiner Analyse der aufgezählten Einflussfaktoren und Interpretation der atmosphärischen Ausgangssituation ergibt meine persönliche -natürlich mit einer Portion Spekulation verbundenen – Wintereinschätzung.

Gemittelt erwarte ich weder einen Mildwinter, wie es einige Langfristmodelle prognostizieren, noch einen Kaltwinter, wie er von manchen Medien angekündigt wurde.

Ich rechne mit einer gemittelten geringen positive Temperaturabweichung (ca. 0,5K) bezogen auf den Klimazeitraum 1981-2010 und über den gesamten Winter gesehen mit einem durchschnittlichem NS-Aufkommen. Auch im Flachland könnte es im Gegensatz zum Vorjahr für kurze winterliche Abschnitte reichen.

Im Frühwinter erwarte ich vor allem Vorderseitenlagen mit Stau im S und Föhn im N im Wechsel mit  ruhigen Inversionslagen. Erst im Laufe der zweiten Dezemberhälfte rechne ich mit Atlantikduchbrüchen bis zu den Ostalpen und nennenswerten Schneefällen an der Alpennordseite.

Im Kernwinter dürfte mehr Dynamik Einzug halten und vermehrt zu gemischten Wetterlagen atlantischer Prägung führen mit leichter positiver Temperaturabweichung und NS/Schnee vor allem an der Alpennordseite.

Im Spätwinter könnten dann die oben beschriebenen Auswirkungen des Uralblockings zum Tragen kommen. Natürlich ist dies jetzt keine Prognose, aber augenblicklich ist dies meines Erachtens ein Indiz für eine massive PW-Störung mit polaren Kaltluftvorstößen, u.U. bis März. 

3 Gedanken zu „Winterprognose 2020/2021“

  1. Servus Franz,
    danke für deine sehr umfassende und interessante Winterprognose 2020/21. Besonders angesprochen hat mich auch die Angabe des links von Fabienne Muriset, welche auf ihrer Seite einen „Großwetterkalender“ auflistet, welcher mehrere Jahre zurück reicht.
    Sehr heftig war hier in Südtirol, gleich wie in Osttirol und Oberkärnten das letzte Südstau-Ereignis, – wobei ich sagen muss, dass solche markante Lagen hier immer wieder mal vorkommen (eine ähnlich bemerkenswerte Südstaulage gabs auch im Nov. 2019).

    Ganz viele Grüße
    Haimo

    P.S.: ich freue mich immer auf alle deine Meldungen im „Wettereck Triestingtal“

  2. Lieber Franz, Danke für Deine ausführliche Prognose. Aufgrund der extrem geringen Meereis-Ausdehnung in der Arktis könnte ein Vergleich mit dem letzten Extrem-Jahr 2012-2013 interessant sein, wie im verlinkten Video unten angestellt. Es scheint sich ohnehin langsam das Muster zu etablieren, dass die Kernwinter zu warm und Teile des Frühlings dann zu kalt ausfallen. So war es ja nicht nur 2012/2013 sondern auch in mehreren anderen Jahren. Lg Reinhard

    https://www.ardmediathek.de/daserste/video/wetter-vor-acht/extra-wie-wird-der-winter/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2RhcyB3ZXR0ZXIgaW0gZXJzdGVuL2E2YjI0M2QyLWJhMjktNGYzYS1hOGRlLTU0ODAxMDY0ZGQ0Yw/

    1. Lieber Reinhard,
      danke für den Link! Parallelen zu 2012 lassen sich natürlich erkennen und ich hätte auch nichts gegen einen Spätwinter wie 2013. Damals habe ich begonnen mich fachlich mit den Vorgängen in der Atmosphäre und den Auswirkungen aufs Wetter zu beschäftigen. Das Major Warming 01/2013 mit PW-Split und den Auswirkungen im Spätwinter war sehr spannend.
      QBO war Anfang 2013 unterhalb 30hPa in der Ostphase und begünstigte damit eine PW-Schwächung.
      Im heurigen Winter ist die QBO in der unteren Stratosphäre in der Westphase. Dafür hat das Uralblocking viel Energie in die Stratosphäre gelenkt. Obs für ein MW mit Zonalwindumkehr und einen Spätwinter wie 2013 oder nur Minor Warmings mit kurzen Störungen des troposphärischen PW reicht, werden wir sehen.
      LG, Franz

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